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TIMSS, PISA und die Einführung der Bildungsstandards erfordern eine Weiterentwicklung der Unterrichtskultur. In der vorliegenden Arbeit werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Einstellungen und Reaktionen von Mathematiklehrerinnen und -lehrern analysiert und ausgewertet. Ausgehend von der Frage, was einen guten Mathematikunterricht kennzeichnet, wird gezeigt, wie wichtig die emotionale Haltung der Lehrkraft gegenüber dem Fach Mathematik ist. Diese persönliche Einstellung prägt mit das Mathematikbild der Schülerinnen und Schüler. Aus der Perspektive der aktiven Lehrerin stellt die Autorin in diesem Zusammenhang ein Modell vor, in dem Schülerinnen und Schülern genügend Raum gegeben wird, sich eine eigene Vorstellung von Mathematik zu bilden. Die Analyse der Heftaufschriebe zeigt, dass Mädchen und Jungen einen unterschiedlichen Zugang zur Mathematik haben. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Einordnung der mathematischen Themen in die eigene Lebenswelt, wodurch eine emotionale Nähe zum Fach aufgebaut wird. Dies bildet die Grundlage für einen angstfreien Umgang mit dem Fach Mathematik und bietet insbesondere Mädchen die Gelegenheit, ein positives Selbstbild zu entwickeln.
Für die informierte Teilhabe an der Gesellschaft sind grundlegende Fähigkeiten des Verste-hens und Interpretierens von Daten unumgänglich. Insbesondere werden diese benötigt, um evidenzbasierte Entscheidungen im privaten und öffentlichen Leben treffen zu können. Ebenso spielen sie eine Rolle, um wichtige und komplexe soziale Themen wie Armut, Migration, Gesundheit, Kriminalität oder Bildung zu verstehen. Für die Entwicklung diesbezüglicher Fähigkeiten sind – wie für jegliche Lernprozesse – auch motivationale Komponenten wie Interesse und Selbstkonzept von großer Bedeutung. Trotz der Bedeutung datenbezogener Fähigkeiten im Alltag vieler Menschen gibt es kaum empirische Befunde dazu, welche allgemeinen Lernermerkmale mit diesen zusammenhängen bzw. sie bedingen. Ebenso fehlt es an empirischer Evidenz zur Wirksamkeit von Lernarrangements, die auf die Förderung von kognitiven und motivationalen Variablen im Bereich Statistik abzielen. An diesem Punkt setzt die vorliegende Dissertation mit drei Teilstudien an, die jeweils unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Das erste Ziel der Dissertation besteht in der Erforschung von Zusammenhängen zwischen statistikbezogener Kompetenz und bestimmten Lerner- bzw. Kontextmerkmalen. Das zweite Ziel ist es, die Wirkung einer statistikspezifischen Intervention auf diese Kompetenz sowie auf Sichtweisen bezüglich Variabilität zu untersuchen. Die dritte Zielsetzung der Dissertation liegt in der Analyse von Effekten dieser Intervention auf bereichsspezifische motivationale Variablen. Mit diesen drei Zielsetzungen fokussiert die Dissertation auf einen Erkenntnisgewinn, der sowohl für die Unterrichtspraxis als auch für die fachdidaktische Theoriebildung von Bedeutung ist. Eine Besonderheit dieser Arbeit stellt die Berücksichtigung der gruppierten Datenstruktur in allen drei Teilstudien durch die Verwendung geeigneter Analyseverfahren dar.
In einem ersten Schritt (Teilstudie 1) wurde in 25 achten Realschulklassen durch Mehrebe-nenregressionen die Beziehung zwischen der Kompetenz „Nutzen von Darstellungen und Modellen in statistischen Kontexten“ und Leseverständnis sowie allgemeinen kognitiven Fähigkeiten untersucht. Zusätzlich wurden individuelle und klassenbezogene Eingangsvoraussetzungen der Lernenden als Kontrollvariablen einbezogen. Das Kompetenzkonstrukt stellte sich als relativ eigenständig von den eher allgemeinen Schülervariablen Leseverständnis und kognitiven Fähigkeiten heraus. Dieses Ergebnis legt einerseits nahe, dass das in der vorliegenden Studie verwendete Testinstrument geeignet ist, Kompetenz im Bereich Statistik inhaltsspezifisch zu messen. Andererseits deutet dies darauf hin, dass die textgestützte Anlage der Lernmaterialien der Intervention für Schüler mit schwächerem Leseverständnis beziehungsweise mit niedrigeren kognitiven Fähigkeiten nicht grundsätzlich ein Hindernis darstellen muss. Außerdem ergaben sich signifikante aber moderate Zusammenhänge mit den zusätzlich einbezogenen Kovariaten Mathematiknote und Geschlecht auf Individualebene sowie mit dem sozioökonomischen Status auf Klassenebene.
Teilstudie 2 nahm in den Blick, inwiefern die individuellen Eingangsvoraussetzungen Lese-verständnis, allgemeine kognitive Fähigkeiten, die Mathematiknote sowie das Geschlecht die Entwicklung der Kompetenz „Nutzen von Darstellungen und Modellen in statistischen Kontexten“ sowie die Sichtweisen der Lernenden auf zufallsbedingte Variabilität im Verlauf einer Intervention beeinflussten. Während vier Unterrichtsstunden bearbeiteten die Lernenden aus 25 achten Realschulklassen aufgeteilt in jeweils vier Treatmentgruppen speziell für diese Studie konzipierte Materialien. In ähnlicher Weise wie in Teilstudie 1 stellte sich das Leseverständnis trotz textgestützter Anlage der Lernmaterialien als wenig bedeutsam für die Kompetenzentwicklung heraus, so dass Lerner mit schwachem Leseverständnis in vergleichbarem Maße von der Intervention profitieren konnten wie ihre stärkeren Peers. Dagegen spielten die kognitiven Fähigkeiten sowie die Mathematiknote der Lernenden eine bedeutsamere Rolle für die Kompetenzentwicklung. Insgesamt verzeichneten die teilnehmenden Jungen einen höheren Kompetenzzuwachs als die Mädchen. Im Vergleich zu diesen individuellen Eingangsvoraussetzungen war die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Treatments der Intervention relativ unbedeutend für die Entwicklung von statistikbezogener Kompetenz. Insbesondere konnte keine Verbesserung durch die Anregung von spezifischen Reflexionen im Vergleich zu einem eher algorithmischen Basis-Training festgestellt werden. Dagegen führte die Zugehörigkeit zu einem dieser reflexionsorientierten Treatments dazu, dass die Lernenden nach erfolgter Intervention zufallsbedingte Variabilität im Vergleich zu den Lernenden des Basis-Trainings signifikant stärker berücksichtigten als zuvor. Während die verschiedenen Treatments also kaum zu Unterschieden in der Kompetenzentwicklung führten, hatten sie bedeutsame Unterschiede in den Sichtweisen auf Variabilität zur Folge.
Neben der Entwicklung kognitiver Variablen stellt auch die Förderung motivationaler Variablen ein wichtiges Ziel schulischen Lehr-Lernhandelns dar. Durch Teilstudie 3 wurde der Fokus dieser Dissertation entsprechend erweitert und der Einfluss der Intervention auf das bereichsspezifische Selbstkonzept und Interesse analysiert. Dabei diente eine Baseline-Gruppe aus vier zusätzlichen Klassen als Referenzpunkt über den zeitlichen Verlauf der Intervention. Die Schüler dieser Baseline-Gruppe absolvierten lediglich in analogen Zeitabständen die Tests, nahmen aber an Stelle der Intervention an ihrem regulären Mathematik-Unterricht teil. Zunächst wurde durch konfirmatorische Faktorenanalysen abgesichert, dass die verwendeten Skalen zur Erhebung von Selbstkonzept und Interesse bezogen auf Mathematik und Statistik empirisch trennbare Faktoren darstellten. Zudem legte es der Vergleich jeweils einer allgemeinen und einer aufgabenspezifischen Skala bezüglich des statistikbezogenen Selbstkonzepts und Interesses nahe, dass die Lernenden den Begriff Statistik mit dem Umgang mit Tabellen, Diagrammen und Kennwerten assoziierten. Im Verlauf der statistikbezogenen Intervention blieben die Durchschnittswerte der mathematikbezogenen Skalen recht stabil, während sich die Durchschnitte der statistikbezogenen Skalen in allen vier Treatmentgruppen im Vergleich zur Baseline-Gruppe signifikant erhöhten. Die verschiedenen Treatments zogen keine signifikanten Unterschiede nach sich. Es scheint so, dass die Auseinandersetzung mit statistischen Inhalten in einer schülerzentrierten Arbeitsform die Verstärkung des Selbstkonzepts und des Interesses bezogen auf den Bereich Statistik bewirkte – unabhängig von unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten der Treatments. Insbesondere Schüler, die bereits zum Zeitpunkt des Vortests über relativ hohe Kompetenz im Bereich Statistik verfügten, konnten durch die Intervention in ihrem statistikbezogenen Selbstkonzept und tendenziell auch in ihrem Interesse gefördert werden. Dieses Ergebnis unterstreicht die wechselseitige Beziehung zwischen Leistungs- und motivationalen Variablen und somit die Bedeutung der Förderung beider Bereiche durch geeignete Materialien.
Durch die Untersuchung von statistikbezogener Kompetenz, Sichtweisen auf Variabilität und motivationalen Variablen im Verlauf einer Intervention nimmt die vorliegende Dissertation eine breite Perspektive an Lernervariablen im Bereich Statistik in den Blick. Mit dieser Herangehensweise wird der Tatsache Rechnung getragen, dass schulischer Unterricht nicht nur auf den Aufbau von Kompetenz abzielen sollte, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden, die wiederum Lernprozesse determiniert, von wesentlicher Bedeutung ist. Die vorliegenden Ergebnisse liefern über eine Verbreiterung der fachdidaktischen Basis hinaus eine evidenzbasierte Einschätzung, inwiefern die untersuchten Variablen durch die Auseinandersetzung mit schülerzentrierten Lernmaterialien, wie sie im Rahmen dieser Studie entwickelt wurden, gefördert werden können.
In Germany, secondary school students differ greatly in their science achievement, a dispersion that is far above the OECD average (Schiepe-Tiska, Rönnebeck, & Neumann, 2019). Immigrant students tend to be at the lower end of the scale in Germany – on average, they achieve substantially less well in science than non-immigrant students (OECD, 2016d), which is partially due to the German school system (Zoido, 2013). These differences in achievement translate into underrepresentation of immigrants in science-related jobs in Germany (OECD, 2008). Achievement and career choices are closely intertwined with academic self-concept (for an overview see Marsh & Craven, 2006). Regarding science self-concept, the pattern that immigrant students tend to score lower is present in many countries (e.g. Riegle-Crumb, Moore, & Ramos-Wada, 2011).
The goal of the present research project was to investigate these inequalities between immigrant and non-immigrant secondary school students. This was done focusing on secondary school students’ chemistry self-concepts. Chemistry self-concepts were focused on because achievement in chemistry is an important factor for careers in natural sciences (Cohen & Kelly, 2019). Research on chemistry self-concept has concentrated on young adults (e.g. Bauer, 2005; Xu & Lewis, 2011) and so little is known about secondary school students. Besides the impact of students’ migration background, the research project analyses the role that gender plays because gender has important effects on science self-concepts (e.g. Jurik, Gröschner, & Seidel, 2013; Riegle-Crumb et al., 2011; Wan & Lee, 2017).
A big challenge in this context was that the prevailing methods in academic self-concept research are prone to yield biased data (Byrne, 2002; Byrne et al., 2009). Although this was pointed out more than 15 years ago, the problem persists in science self-concept research. The present research project addresses this issue and presents a new mixed methods approach to culture-sensitive academic self-concept research. The term ‘culture’ is used in the sense of migration background, a concept that categorizes people’s migration histories in Germany. A combination of qualitative interview data and quantitative data permit an investigation of certain types of bias defined by Byrne and colleagues (2009). The pilot study operated with a chemistry self-concept questionnaire (N=116) and qualitative interviews (N=43). The main study was based on an extended questionnaire comprising several other scales (N=585) and deeper qualitative interviews (N=48).
The hypotheses based on the literature were that in Germany, (h1) immigrant students would show more negative chemistry self-concepts than non-immigrant students. (h2) Female students would show more negative chemistry self-concepts than male students. The third hypothesis (h3) was that the home environment has an important impact on students’ chemistry self-concepts. The first two hypotheses (h1 and h2) were not confirmed. Gender and migration background did not show a significant effect on students’ chemistry self-concepts. Instead, gender relations differ depending on the students’ migration background. Among students without a migration background, boys tend to have stronger chemistry self-concepts than girls. In contrast, among students with a Turkish migration background, girls tend to have stronger chemistry self-concepts. Existing science self-concept literature did not explain this.
Literature on gender relations in science in Turkey suggests that this interaction effect could be due to a more gender-neutral conception of science in Turkey. Slightly more women than men work in science in Turkey (OECD, 2009a) and girls achieve substantially better (Batyra, 2017a, 2017b). According to the third hypothesis (h3), the gender conceptions in Turkey could potentially be transmitted to students with a Turkish migration background in the home environment, through their parents or other people.
Science education literature did not provide a satisfying model for conceptualizing the influence of the home environment on students in the field of chemistry that would allow investigating the third hypothesis (h3). Therefore, the concept of chemistry capital was introduced based on the analysis of the interviews in the main study. Chemistry capital was developed based on the concept of science capital by Archer and colleagues (2015). Chemistry capital conceptualizes the resources a person possesses that have value in the field of chemistry. This encompasses social networks (e.g. knowing a chemist) as well as emotional and cognitive resources (e.g. attitudes towards chemistry and chemistry knowledge), and the engagement in chemistry-related activities. In particular, the concept allows analyzing the transmission processes of chemistry from the home environment to the individual student.
The qualitative analyses in the main study showed that the chemistry capital home environment influences the students in the field of chemistry in multiple ways. This supports hypothesis 3 (h3). Further, the data suggest that structural inequalities in the German school system might foster differences in chemistry. Students who already possess little chemistry capital in their home environments are in addition found more often at the type of school (Hauptschule) in which the proportion of chemistry teachers who do not hold a university degree in chemistry is the highest, depriving these students of another possible source of chemistry capital. Vice versa, students who already possess a lot of chemistry capital in their home environments more often attend school types (Gymnasium, Realschule) where also more formally qualified chemistry teachers are available, thus potentially widening the gap.
The mixed methods analysis in the main study suggested that a simple linear relationship between student chemistry self-concept and chemistry capital in the home environment does not exist. A study based on quantitative (or mixed methods) analyses of data of a larger sample on chemistry capital in the home environment and students’ chemistry self-concepts could provide further insights. It is not yet clear if the third hypothesis (h3) is true.
To sum up, the present research project thus advances the field of chemistry education in three regards: (i) it provides an approach to culture-sensitive academic self-concept. This approach proved to increase both the validity and the explanatory power of chemistry self-concept research. It is not chemistry-specific and can, thus, be used in other areas of research as well. (ii) The research discovered an interaction effect of gender and migration background on chemistry self-concept that was unknown in science education literature. (iii) It introduces and defines the concept of chemistry capital which permits to analyze chemistry education from a sociocultural perspective. Employing the concept of chemistry capital helps to shift the focus from the individual student to the resources a student possesses in the sociocultural context that help him or her succeed in the field of chemistry. This allows uncovering social inequalities in the field that need to be addressed in educational policy. Moreover, it can inspire intervention studies and application-focused research (e.g. approaches to culture-sensitive chemistry teaching).
Females and students of non-dominant ethnicity are less likely to aspire to science careers. However, overcoming discrimination in science and chemistry is a challenging task, especially in vocational orientation. Thus, there is a need for strategies to support young women in their identity formation in science and chemistry. This article presents a scheme for supporting young women’s science identity formation in conversations about vocational orientation. The goal is to support young women in developing a positive attitude towards careers in chemistry. This attitude is part of cultural chemistry capital. The scheme was developed based on a study conducted as part of the project DiSenSu. Here, coachings for vocational orientation for young women in science and chemistry are provided, following the idea of Science in Public. In the coaching, the attitudes towards science and chemistry were determined using quantitative data. Based on these results, coaches conducted conversations with the participants. Qualitative analysis of 11 conversations revealed strategies coaches used to support young women in their vocational orientation. The study shows how the participants’ attitude towards careers in chemistry is used as a starting point for coachings. Also, it provides strategies that can be used to promote young women’s cultural chemistry capital.
Females and students of non-dominant ethnicity are less likely to aspire to science careers. However, overcoming discrimination in science and chemistry is a challenging task, especially in vocational orientation. Thus, there is a need for strategies to support young women in their identity formation in science and chemistry. This article presents a scheme for supporting young women’s science identity formation in conversations about vocational orientation. The goal is to support young women in developing a positive attitude towards careers in chemistry. This attitude is part of cultural chemistry capital. The scheme was developed based on a study conducted as part of the project DiSenSu. Here, coachings for vocational orientation for young women in science and chemistry are provided, following the idea of Science in Public. In the coaching, the attitudes towards science and chemistry were determined using quantitative data. Based on these results, coaches conducted conversations with the participants. Qualitative analysis of 11 conversations revealed strategies coaches used to support young women in their vocational orientation. The study shows how the participants’ attitude towards careers in chemistry is used as a starting point for coachings. Also, it provides strategies that can be used to promote young women’s cultural chemistry capital.