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Es waren Jugendliche und junge Erwachsene mit starken motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen, die mich im Rahmen meines letzten Praktikums an der Schule für Körperbehinderte nachdenklich stimmten und einige Fragen aufwarfen. Wie kann ich einem Menschen gerecht werden, der sich körperlich sichtbar zu einem jungen Mann oder einer jungen Frau entwickelt hat, der vermutlich sehr ähnliche sexuelle Bedürfnisse und Empfindungen hat wie andere Jugendliche auch, dessen kognitive Fähigkeiten aber stark von der körperlichen Entwicklung abweichen? Welche Gefühle löse ich aus, wenn ich beispielsweise in der körpernahen Förderung engen Körperkontakt zu Schülern aufbaue? Wie gehen Eltern damit um, dass ihr Kind nun erwachsen wird, trotzdem aber in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen steht? Spielt für sie die Sexualität ihres Kindes neben all den anderen Faktoren, die die Behinderung mit sich bringt, überhaupt eine Rolle? Es sind Fragen, die sich teilweise sicher nicht leicht beantworten lassen und auf die ich wohl auch im Rahmen dieser Arbeit oftmals keine explizite Antwort geben kann. Dennoch waren es Fragen, die mich veranlassten, mich intensiver mit der Thematik "Sexualität und Behinderung" zu befassen. Dies hatte zur Folge, dass ich mich vermehrt mit Lehrern und Eltern über die Sexualität körperlich- und geistig behinderter Menschen unterhielt und immer wieder feststellen musste, dass es ein Thema ist, das nach wie vor gesellschaftlich tabuisiert ist, und sowohl auf Lehrer- als auch auf Elternseite zu Verunsicherung führt. Wenn davon ausgegangen wird, dass Sexualität untrennbar mit dem menschlichen Geist und Körper verbunden ist, so verdeutlicht dies, welche gravierenden Auswirkungen es für einen Menschen mit Behinderung haben muss, wenn ihm seine Sexualität abgesprochen wird oder zu einer behinderten Sexualität degradiert wird. Eltern und Lehrer behinderter Kinder sind nicht frei von gesellschaftlichen Norm- und Wertvorstellungen. Ihre Einstellungen zur Sexualität von Menschen mit Behinderung wirken sich gravierend auf die psychosexuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aus und somit auch auf die Einstellung, die der Mensch mit Behinderung zu seiner Sexualität hat. In Anbetracht dessen, dass Kinder und Jugendliche mit einer (Körper-)Behinderung sich hauptsächlich zwischen zwei Lebenswelten, Familie und Schule, bewegen, wird deutlich, dass die Betrachtung der Sexualität eines Menschen mit Behinderung innerhalb eines Systems unzureichend ist. In dieser Arbeit wird es darum gehen, neben grundsätzlichen Überlegungen zur Sexualität und zur sexuellen Entwicklung von Menschen mit (Körper-)Behinderung, die Auswirkungen der Lebenswelten und der Erziehung von Schule und Familie darzulegen. Unerlässlich für eine Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule ist ein besseres Verständnis der elterlichen Bedürfnisse und Sichtweisen, das mit Hilfe von problemzentrierten Interviews vertieft werden soll.
Sexueller Missbrauch und geistige Behinderung – das Projekt „ECHT STARK“ als Präventionsmöglichkeit
(2008)
Das Thema „sexueller Missbrauch“ ist heute, zumindest in den meisten Ländern, kein Tabuthema mehr. Fast täglich wird in den Nachrichten davon berichtet und auch in vielen Filmen dient er als „beliebtes“ Thema. Doch mit dem tatsächlichen Ausmaß und den Tätern befassen sich nur wenige. In den Köpfen Vieler kursieren Vorurteile und verzerrte Bilder, die dem Thema nicht gerecht werden. Zwar wird inzwischen über das Problem gesprochen, doch man schiebt es gerne von sich, tut so, als käme das im eigenen Umfeld nicht vor. Auch versucht man sich einzureden, dass die Menschen, die zu solchen Taten bereit sind, „verrückte, böse Einzelgänger“ sein müssen, welche Kinder für ihre sexuelle Befriedigung benutzen, da sie nicht fähig sind mit einem erwachsenen Partner ihr Verlangen zufriedenzustellen. Doch mit diesen Annahmen verschließt man die Augen vor den wahren Hintergründen, die sexuellen Missbrauch begünstigen. Dadurch wird auch die Tatsache, dass die meisten Täter den Kindern bekannt sind, oft sogar eng mit ihnen verwandt, ignoriert. Häufig werden diese Täter für ihr „Fehlverhalten“ auch noch entschuldigt, indem z.B. dem Kind mit seinem „verführerischen“ Verhalten eine Teilschuld gegeben wird oder der Partnerin des Täters eine Mitschuld zugesprochen wird, durch die Unterstellung, dass sie ihm nicht häufig genug zur „Verfügung“ steht. Dieses Denken zeigt, dass sich auf gesellschaftlicher Ebene noch viel verändern muss, damit die Hintergründe des Missbrauchs nicht länger tabuisiert und fehlverstanden werden. Das Tabu scheint also doch nicht ganz gebrochen zu sein. Setzt man sexuellen Missbrauch in Bezug mit geistiger Behinderung, so kommt ein weiteres Tabu hinzu. Die Vorstellung darüber, dass geistig behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene Opfer sexueller Gewalt werden könnten, stößt bei vielen Menschen auf ein großes Unverständnis. Ich wurde erst auf Grund eines Seminars auf das Thema aufmerksam, seither lässt es mich jedoch nicht mehr los. Inzwischen habe ich selbst auch von einigen Fällen im näheren Umfeld erfahren, weshalb ich mir durchaus vorstellen kann, dass die hohen Zahlen, auf welche ich in der vorliegenden Arbeit zu sprechen komme, die Realität tatsächlich widerspiegeln.