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Digitale Medien sind zur Zeit noch eine Randerscheinung in Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Auch wenn es vielversprechende Ansätze gibt, die u.a. die mobil-LU-Studie von Lude und Kollegen (2013) bundesweit dokumentiert, hört man von Praktikern und Naturschützern kritische Stimmen. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, die Frage zu untersuchen, ob sich ortsbezogene Spiele mit Smartphones, sogenannte Geogames, eignen, Naturverbundenheit aufzubauen und komplexere Lernziele der BNE zu erreichen.
Im Rahmen des Projektes „FindeVielfalt - Biodiversität erleben mit ortsbezogenen Spielen (BioDiv2Go)“ wurde ein Geogame zum Thema Wildkatze entwickelt und evaluiert. Ziel dieses Geogames ist es, Jugendlichen einen kognitiven und affektiven Zugang zum Lebensraum der Wildkatze zu ermöglichen. Verortet ist das Spiel im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön, einer Modellregion für eine nachhaltige Entwicklung. Die Spielerzählung behandelt eine grundlegende Herausforderung aller Biosphärenreservate: Die Abwägung von Naturschutz und der Nutzung natürlicher Ressourcen. Das Geogame verbindet dafür die reale Welt mit der virtuellen Spielerzählung: Geführt über eine GPS-Navigation erkunden die Spielgruppen den Naturraum, lösen an relevanten Orten Aufgaben und treffen Entscheidungen in Dilemma-Situationen. In einer integrierten ökologischen Simulation versuchen sie, den Schutz der Wildkatze mit der Holznutzung in ihrem Wald auszubalancieren. Diese Simulation stellt ein zentrales Spielelement dar, das ohne den Einsatz digitaler Technik nicht möglich wäre. Für die Vergleichsstudie wurde ein einfacheres ortsbezogenes Spiel entwickelt, das auch mit mobilen Endgeräten gespielt wird, diese Simulation aber nicht enthält.
In der ersten Studie wird die Übertragung dieser Simulation in den Naturraum und ihre Wirkung auf die Spielfreude untersucht. Ökologische Simulationen für die Bildungsarbeit sind meist sehr komplex und beanspruchen längere Spielzeiten. Für die Anwendung im Rahmen des Geogames mussten deshalb Komplexität und Spielzeit deutlich reduziert werden, ohne aber die inhaltliche Validität zu verlieren. Als Indikator für den Erfolg dieses mehrstufigen Design-Prozesses wird in der Interventionsstudie die Spielfreude der Spielenden erfasst und eine Bewertung der einzelnen Spielelemente erhoben. Es zeigt sich dabei, dass die Simulation zur Spielfreude beiträgt, auch wenn sie nur 3% der Gesamtspielzeit umfasst. Bei den Spielgruppen der Mittelschulen ist eine Bevorzugung des Geogames mit Simulation gegenüber der einfacheren Spielversion feststellbar.
Die Frage nach der Wirkung auf die Naturverbundenheit wird in der zweiten Studie untersucht: Sind die Geogames förderlich für die Naturverbundenheit oder bindet die digitale Präsentation der Aufgaben die Aufmerksamkeit? Für beide Spielformen, das komplexe Geogame mit Simulation und die einfachere Version, zeigen die Ergebnisse einen signifikanten Anstieg der Naturverbundenheit nach dem Spiel. Die Spielfreude wirkt hier als Kovariate, d.h. je höher die Spielfreude ist, desto stärker ist die Entwicklung der Naturverbundenheit.
In der BNE hat die Bewertungskompetenz große Bedeutung. In einer streng operationalisierten Form auf die Teilkompetenz „Bewerten und Entscheiden“ wird sie in der dritten Studie herangezogen, um die Eignung der Geogames für die BNE zu untersuchen. Gelegenheiten zum Bewerten und Entscheiden geben im Geogame die Dilemma-Aufgaben, die in beiden Spielformen zu bearbeiten sind, im komplexeren Geogame kommt die Simulation als weitere Entscheidungssituation hinzu. Diese scheint aber für die Entwicklung der Bewertungskompetenz keine Wirkung zu haben, denn die Ergebnisse sind für beide Spielformen gleich: Nur für die älteren Spielenden (>17 Jahre), die schon mit höheren Werten in das Spiel einsteigen, zeigt sich eine signifikante Verbesserung der Bewertungskompetenz.
Zusammengefasst ergeben diese Studien, dass ortsbezogene Spiele mit mobilen Endgeräten eine vielversprechende Methode für Umweltbildung und BNE sind. Durch Variation der Spielelemente kann der Komplexitätsgrad der Spiele an die entsprechende Zielgruppe angepasst werden. Als erste Heranführung von „naturfernen“ Jugendlichen an den Naturraum sind die aktuellen Geogames ein geeignetes Mittel. Für die Verwirklichung komplexerer Lernziele bei jungen Erwachsenen, wie die Förderung von Bewertungskompetenz, braucht es anspruchsvolle Bewertungsaufgaben und/oder eine stärkere Verankerung der Simulation.
Der Schutz und die nachhaltige Nutzung lokaler Biodiversität sind wichtige Grundlagen für das menschliche Wohlergehen und wurden in der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Ziele festgeschrieben. Lokale Biodiversität spielt im Alltag von Jugendlichen jedoch kaum eine Rolle. Um die Wahrnehmung und Wertschätzung lokaler Biodiversität bei Jugendlichen zu fördern, wurde im Rahmen des Projekts „Finde Vielfalt – Biodiversität erleben mit ortsbezogenen Spielen (BioDiv2Go)“ das Geogame „FindeVielfalt Simulation“ (FVS) im Rahmen einer Educational Design Research Studie entwickelt und evaluiert. Das Geogame FVS ist ein ortsbezogenes digitales Spiel für Smartphones, das die reale mit einer virtuellen Welt verbindet. Die Spieler tauchen in eine Spielerzählung ein, navigieren mit GPS im realen Naturraum und lösen dort verschiedene Aufgaben, die zur Entdeckung der Natur anregen. Der Einsatz des Smartphones ermöglicht durch die Einbettung von Videosequenzen, Simulationen und einem unmittelbaren Feedbacksystem beim Lösen der Aufgaben einen exklusiven Lernzugang, den es ohne die Technologie nicht gäbe. Die ortsgebundenen Aufgaben garantieren dabei die Naturkontakte und die Auseinandersetzung mit der konkreten lokalen Biodiversität. Das Hauptanliegen dieser Studie ist, die Bedeutung des spielbezogenen Enjoyments innerhalb der Wirksamkeitsanalyse des Geogames „FindeVielfalt Simulation“ (FVS) zu erforschen. Die theoriegeleitete Entwicklung und evidenzbasierte Überprüfung des Geogames FVS und des Rahmenmodells wird in mehreren Design- und Evaluationszyklen vollzogen und ausführlich dargestellt. Die Ergebnisse der Interventionsstudie zeigen, dass durch die Nutzung des Geogames FVS bei den jugendlichen Spielern das biodiversitätsbezogene Wissen zunimmt und die Naturverbundenheit steigt. Das spielbezogene Enjoyment beeinflusst dabei die Steigerung der Naturverbundenheit positiv. Der spielbezogene Ansatz mit den Smartphones stellt in diesem Fall einen Mehrwert dar. Geschlechtereffekte können nicht festgestellt werden. Alterseffekte zeigen sich bereits bei den Einstiegswerten vor der Intervention in den Dimensionen Wissen und Naturverbundenheit. Für die Steigerung der Naturverbundenheit zeigt sich ein signifikanter Effekt beim sozioökonomischen Status. Demnach profitieren hier besonders die Jugendlichen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. Da die Studie eine Feldstudie darstellt, sind die Ergebnisse nicht generalisierbar. Sie zeigen aber für die Stichprobe bedeutsame Effekte. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen werden aus dieser Studie auch praxisrelevante Designkriterien für die Entwicklung ortsbezogener digitaler Spiele abgeleitet. Im Rahmen des Educational Design Research Ansatzes wurden während des gesamten Prozesses sowohl Experten der verschiedenen wissenschaftlichen Bereiche als auch Experten der pädagogischen Praxis wie auch die Jugendlichen selbst einbezogen. Dadurch werden die wissenschaftliche Strenge und Gültigkeit und auch die praktische Relevanz der Studie sichergestellt.