540 Chemie
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Die Kultusministerkonferenz, Hochschullehrende und Studierende fordern den Einsatz digitaler Medien in der Hochschulbildung. Die vielfältigen Potentiale digitaler Technologien sollen genutzt werden, um die Lehre weiterzuentwickeln sowie den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen von Hochschulen entgegenzuwirken. Beschleunigt durch die Covid-19-Pandemie ist der Einsatz digitaler Technologien in Bildungsinstitutionen in Deutschland eines der aktuell bedeutendsten Themen der Hochschul- und Schulentwicklung. In Bezug auf die Ausbildung von Lehramtsstudierenden fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) (2017) eine systematische Herangehensweise, damit zukünftige LehrerInnen relevante digitale Kompetenzen erlangen, um erfolgreich digitale Technologien in der Schule einsetzen zu können.
Studien zeigen jedoch, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung bisher nur unzureichend in der Lehre an den Hochschulen in Deutschland (Dittler & Kreidl, 2018; Gilch et al., 2019; Schmid et al., 2017) und speziell in der Lehramtsausbildung (Maxton-Küchenmeister & Meßinger-Koppelt, 2020) realisiert wurden. Dies überrascht, da die Forschung Konzepten und Lernmedien mit digitalen Technologien großes Potential einräumt (z. B. Hillmayr et al., 2017; Ma et al., 2014). Konzepte wie das flipped classroom (Al-Samarraie et al., 2019) oder die Interaktivität (Sosa et al., 2011) können großen Einfluss auf den Lernerfolg von Studierenden haben. Insgesamt kann die Nutzung von digitalen Technologien die Hochschullehre individualisierter, attraktiver, effektiver und flexibler machen (Arnold et al., 2015; Dittler & Kreidl, 2018; Issing & Klimsa, 2009; Popp & Ciolau, 2017; Wachter et al., 2016; Xu & Xu, 2019).
Basierend auf diesen Forderungen und Forschungsergebnissen ist das zentrale Ziel dieser Dissertation die nötige Weiterentwicklung der Hochschullehre von Lehramtsstudierenden der Naturwissenschaften durch die Nutzung digitaler Technologien, um die digitalen Kompetenzen der Lehramtsstudierenden zu stärken. Diese Weiterentwicklung ist in diesem Projekt durch das Modell der Partizipativen Aktionsforschung für die Hochschullehre organisiert (Tolsdorf & Markic, 2018). Mit dem Modell werden neue Lehrkonzepte und digitale Medien in zyklischen Prozessen entwickelt, erprobt, evaluiert und verbessert. Damit die geplanten Neuentwicklungen jedoch lernförderlich für die Studierenden sein können, werden als Teil der Diagnostik, die Lehramtsstudierenden der Naturwissenschaften im Hinblick auf ihr Wissen, ihren Einstellungen und Lernausgangsbedingungen bezüglich digitaler Technologien, beforscht. Konkret werden die Student Readiness for Online Learning (Martin et al., 2020a), das Technological Pedagogical and Content Knowledge (TPACK) (Koehler & Mishra, 2008) und die Überzeugungen von Lehramtsstudierenden bezüglich digitaler Technologien (Admiraal et al., 2017) untersucht, da diese das Lernen und auch das zukünftige Unterrichten von Studierenden mit digitalen Medien beeinflussen (Ertmer & Ottenbreit-Leftwich, 2010; Guzey & Roehrig, 2009). Diese Erkenntnisse werden im Rahmen dieser Arbeit für die Weiterentwicklung der Lehrkonzepte und der digitalen Medien genutzt, sie sind jedoch auch von allgemeinem Forschungsinteresse. Resultierend aus diesen Zielvorgaben, konstituiert sich dieses Dissertationsprojekt in einen Forschungs- und einen Entwicklungsteil.
Im Forschungsteil werden dementsprechend die Student Readiness for Online Learning, das TPACK und die Beliefs der Lehramtsstudierenden der Naturwissenschaften gegenüber digitalen Technologien in quantitativen Forschungsdesigns untersucht. Die Forschungsergebnisse bezüglich der Student Readiness for Online Learning zeigen, dass Lehramtsstudierenden der Naturwissenschaften grundsätzlich bereit sind mit digitalen Medien zu lernen. Sie schätzen die nötigen Fähigkeiten als generell wichtig für ihr eigenes Lernen ein, sind sich jedoch unsicher, ob sie diese Fähigkeiten erwerben können. Bei der Erforschung der Beliefs der Lehramtsstudierenden zeigt sich, dass sie digitale Medien als etwas bis relativ wichtig und unterstützend in ihrem Lernen und zukünftigem Unterrichten ansehen. Die Untersuchung des TPACKs zeigt, dass Studierende unentschieden sind, inwieweit sie das relevante Wissen zur Nutzung digitaler Medien in ihrem zukünftigen Unterricht haben. Durchgeführte Vergleichsstudien mit den USA dokumentieren, dass Lehramtsstudierende in Deutschland signifikant weniger bereit sind mit digitalen Medien zu lernen und diese als erheblich weniger wichtig und unterstützend für ihr Lernen und zukünftiges Unterrichten einschätzen. Außerdem sehen sich deutsche Lehramtsstudierende als signifikant weniger kompetent an, relevante Fähigkeiten zu erwerben und mit digitalen Technologien zu unterrichten.
Im Entwicklungsteil dieser Dissertation werden diese umfangreichen Erkenntnisse in der Entwicklung der Lehrkonzepte und Medien berücksichtigt. So konnten sowohl zwei erfolgreiche Lehrveranstaltungen, die das flipped classroom-Konzept gewinnbringend einsetzen, als auch interaktive Lernmedien entwickelt werden. Die Mixed-Methods-Begleitforschung zeigt, dass die interaktiven Lernmedien die Studierenden unterstützen und zu einem erfolgreichen Lehrkonzept mit digitalen Medien in der Hochschullehre beitragen können. Weiter konnte durch die entwickelten Lehrveranstaltungen das TPACK der Lehramtsstudierenden positiv beeinflusst werden. Die Beliefs der Lehramtsstudierenden der Naturwissenschaften verändern sich hingegen kaum, jedoch wurde eine selektive Veränderung der Beliefs in Bezug auf einzelne digitale Technologien durch die Covid-19-Pandemie nachgewiesen.
Auf Grundlage dieser Forschungs- und Evaluationsergebnisse wurde das Ziel der Weiterentwicklung der Hochschullehre mit digitalen Medien erfolgreich erreicht. Dabei erwies sich das Modell der Partizipativen Aktionsforschung für die Hochschullehre (Tolsdorf & Markic, 2018) basierend auf den wertvollen Resultaten und der Professionalisierung der Beteiligten, als geeignet für dieses Entwicklung- und Forschungsprojekt. Besonders die Zusammenarbeit mit den Lehramtsstudierenden war gewinnbringend für die Weiterentwicklung der Hochschullehre, da die Studierenden das Entwickelte vielfältig und tiefgehend bewerten und auf dieser Grundlage profunde Verbesserungen möglich waren. Die vielfach erprobten, evaluierten und somit abgesicherten Lehrkonzepte und Lernmedien können als innovative Beispiele von Hochschullehrenden der Fachdidaktik der Naturwissenschaften oder auch darüber hinaus genutzt werden. Dadurch könnte die Weiterentwicklung der Lehre von Hochschullehrenden vereinfacht werden. Die gewonnenen vielfältigen Erkenntnisse der Studien des Forschungsteils können auch außerhalb dieser Dissertation als wertvoll für die fachdidaktische Forschung der Naturwissenschaften angesehen werden. Die erlangten Ergebnisse geben wichtige Hinweise in Bezug auf Lehramtsstudierende und ihre potentielle Nutzung von digitalen Medien in ihrem zukünftigen Unterricht. Die entwickelten Lehrkonzepte und besonders die Lernmedien sind als Open Educational Ressource (OER) im Sinne der Nachhaltigkeit auf der selbst entwickelten Plattform nw-didaktik-digital.de bereitgestellt. Auf diese Weise kann das Entwickelte von Hochschullehrenden der Naturwissenschaften in der Lehramtsausbildung für die Innovation der Lehre einen relevanten Beitrag leisten.